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Gendermedizin – warum Frauen eigene Präventionsmaßnahmen und medizinische Behandlungen brauchen. Folge 1: Alkohol und Brustkrebs

Aus einer Flasche fließt Rotwein in ein Glas

Jahrzehntelang galt in der Medizin der Mann als das Maß aller Forschungen und Behandlungsmethoden. Der weibliche Körper war einfach nur die kleinere, leichtere und schwächere Version.  Dabei sind die Unterschiede zwischen Mann und Frau so groß, dass sowohl medizinische Behandlungen als auch präventive Maßnahmen, die nicht nur den Menschen sehen, sondern auch das Geschlecht berücksichtigen, sowohl lebensverlängernd als auch lebensrettend sein können. Aufklärung ist notwendig.

 

In vino veritas – das mag ja sein, aber welche Wahrheit?

Ein Gläschen Wein gilt oft noch als gesundheitsförderlich. In der Ernährungspyramide der mediterranen Ernährung, über die es unzählige wissenschaftliche Studien gibt, ist das Glas Rotwein mit dem Hinweis „in moderater Menge“ zu finden. Der Konsum solle vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. Verantwortlich dafür seien die sekundären Pflanzenstoffe, allen voran das Polyphenol Resveratrol. Es kommt vor allem in Schalen und Kernen von Trauben vor, aber auch in Himbeeren und Brombeeren. Polyphenole sollen Tumorerkrankungen und auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen. Doch Experten sind sich uneins: Tut man sich mit dem Gläschen Rotwein wirklich etwas Gutes oder macht das im Alkohol enthaltene Ethanol, ein Zellgift, jegliche positive Wirkung zunichte?

Einer, der zu diesem Thema seit Jahrzehnten forscht, ist der Arzt Prof. Dr. med. Helmut Seitz. Und er hat eine klare Meinung: „In den 1990er Jahren gab es große Untersuchungen, bei denen es hieß: Etwas Alkohol ist gut für die Gefäße und beugt Herzinfarkten vor. Diese Forschung wurde stark von der Alkoholindustrie gepusht. Inzwischen ist erwiesen, dass das nicht den Tatsachen entspricht.“

Und wie sieht es mit dem so oft als gesund hochgelobten Resveratrol im Rotwein aus? „Die Dosen an dem Antioxidans Resveratrol, die darin enthalten sind, spielen keine Rolle, weil sie viel zu gering sind.“ 

Das ist der Stand der derzeitigen Forschung, wenn es um Rotwein geht. So sieht die „veritas“ im Wein also aus.

 

Neue Leitlinie: „keine risikofreie Menge“

Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) reagiert, gibt 2024 ein neues Positionspapier zum Thema Alkohol heraus und warnt: Es gibt „keine risikofreie Menge für einen unbedenklichen Konsum“. Das ist erstmal richtig so, denn auf lange Sicht gibt es kein Organ, das durch das im Alkohol enthaltene Ethanol nicht geschädigt wird.

Folgende Mengen wertet die DGE als risikoarm: Weniger als 27 g pro Woche (!), das entspricht bis insgesamt 280 ml oder 1–2 kleine Gläser Wein (Alkoholgehalt 12 % vol). Auf Bier umgerechnet heißt das: bis insgesamt 660 ml oder 1–2 kleine Flaschen Bier (Alkoholgehalt 5 % vol).

Weiter schreibt die DGE: „Dabei gibt es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede im Risiko für gesundheitliche Folgen bei risikoarmem und moderatem Konsum.“

Und genau das greift mir nicht weit genug: Denn nach meinen Recherchen gibt es eben doch gravierende Unterschiede, die dringend besser kommuniziert werden müssen:

 

Die Auswirkungen von Alkohol auf den weiblichen Körper

Schon im Jahr 2021 veröffentlichte die WHO (World Health Organization) das Factsheet „5 facts about alcohol and cancer”. Dort steht, dass die häufigsten durch Alkohol verursachten Krebsarten für Männer und Frauen unterschiedlich sind: Wenn Alkoholkonsum der Grund für eine Krebserkrankung war, trat bei Männern am häufigsten Darmkrebs auf, bei Frauen Brustkrebs.

Alkohol erhöht den Östrogenspiegel. Ohne das Hormon Östrogen kann die Entwicklung und Aufrechterhaltung der weiblichen Geschlechtsmerkmale nicht stattfinden. Auch Männer brauchen und bilden Östrogen, aber in geringeren Mengen als Frauen. Östrogene können die Entstehung und Vermehrung mancher Krebszellen fördern. Hier sagt der Alkoholforscher Prof. Dr. med. Helmut Seitz ganz klar: „Das Organ mit dem größten Risiko, selbst für kleinste Mengen Alkohol, ist die weibliche Brustdrüse. Laut WHO steigt das Brustkrebsrisiko mit jeder pro Tag konsumierten Einheit Alkohol.“ Und weiter: „Wer besonders stark gefährdet ist, weiß man nicht genau. Vorsichtig sollten auf jeden Fall Frauen sein, bei denen bereits die Mutter Brustkrebs hatte, aber auch Frauen, die eine Mastopathie haben – also eine gutartige Veränderung in der Brust –, und solche, die von außen Östrogene zuführen.“

Und es gibt noch weitere Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Da Frauenkörper oft kleiner und leichter als Männerkörper sind, ist die gleiche Menge an Alkohol für Frauen noch schädlicher. Der Anteil an Körperflüssigkeit, auf die sich getrunkener Alkohol verteilen kann, ist bei Frauen geringer als bei Männern. Bei gleicher Alkoholmenge hat Frau deshalb eine höhere Alkoholkonzentration im Blut. Zusätzlich bauen Frauen Alkohol langsamer ab als Männer, weil das Enzym Alkoholdehydrogenase im weiblichen Körper in geringerer Menge vorhanden ist. So können unter anderem auch Leberschäden durch Alkoholgenuss schneller entstehen.

 

Mehr Prävention!

Frauen müssen sich dieser zusätzlichen Risiken bewusst sein. Hier ist eine Aufklärung schon im Teenageralter absolut sinnvoll und wichtig. Das heißt, hier brauchen wir ganz klar mehr Prävention. Frauen müssen darüber aufgeklärt werden, dass selbst ein moderater Alkoholkonsum auf längere Sicht zu Brustkrebs (und vielen weiteren Erkrankungen) führen kann. Natürlich müssen sich auch Männer der Risiken bewusst sein und darüber Bescheid wissen.

 

 

Der Stellenwert von Alkohol in unserer Gesellschaft muss sich verändern

Gerade bei jungen Menschen sollte Alkohol nicht mehr zur Party gehören wie die Luft zum Leben. Es sollte nicht Teil der Feierabendentspannung oder die Belohnung für einen gemeisterten Arbeitsalltag sein sich ein Gläschen Wein oder ein Bier zu „gönnen“. Der Satz „heute trinke ich mal nichts“ sollte im 21. Jahrhundert nicht mehr notwendig sein, schon gar nicht mehr als Rechtfertigung.

Dabei dürfen wir es genießen mit Freunden auf einen Geburtstag anzustoßen oder zu einem leckeren Essen mal einen passenden Wein zu trinken. Ein gesunder Mensch muss nicht Z

eit seines Lebens zu 100% alkoholabstinent sein. Doch der gesündeste Tropfen Alkohol ist der, der nicht getrunken wird.

 

Quellen:

-          Tagesschau https://www.youtube.com/watch?v=MKow0LoComc&t=5s letzter Aufruf 15.01.2025

-          Positionspapier der DGE e. V. https://www.dge.de/presse/meldungen/2024/dge-positionspapier-zu-alkohol/ letzter Aufruf 15.01.2025

-          https://colorectum.ch/rund-um-darmkrebs/kolorektalkarzinom/ letzter Aufruf 15.01.2025

-          https://www.netdoktor.de/laborwerte/oestrogen/ letzter Aufruf 15.01.2025

-          Prof. Dr. rer. nat. Smollich, Martin: „Das große Praxisbuch Ernährungsmedizin“, 2. Auflage 2022, Gräfe und Unzer Verlag, München, ISBN 978-3-8338-7915-9.

-          Biesalski, Hans Konrad, Grimm, Peter, Nowitzki-Grimm, Susanne: „Taschenatlas Ernährung“, 8. Auflage 2020, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, ISBN 978-3-13-242607-8.

-          Dr. rer. nat. Seethaler, Benjamin, Dipl. oec. troph. Snowden, Bettina, Prof. Dr. med. Bischoff, Stephan C.: „Mediterrane Ernährung“, 1. Auflage 2023, Trias Verlag in Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, ISBN 978-3-432-11685-3.


 
 
 

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