Gendermedizin – warum Frauen eigene Präventionsmaßnahmen und medizinische Behandlungen brauchen Folge 2: Gezielter Sport verbessert die Lebensqualität von Frauen bis ins hohe Alter
- Claudia Kastizen
- 30. Juli
- 5 Min. Lesezeit

In Folge 1 ging es um die Zusammenhänge von Alkohol und Brustkrebs. Zugegeben, ein schweres Thema. Heute wird’s lockerer und es gibt richtig gute Nachrichten für alle Frauen, die länger gesund leben möchten. Die Geheimwaffe ist Sport! Was macht ihn so extrem gesund und wie profitieren Frauen in den verschiedensten Lebensphasen davon?
„Sport – das wirksamste Mittel für ein langes Leben“
Dieses Zitat stammt von einem der führenden Longevity-Forschern (Longevity = Langlebigkeit), dem Mediziner Peter Attia. Für ihn ist Sport die größte Waffe gegen das Altern, sogar noch vor gesunder Ernährung. In seinem Buch „Outlive“ schreibt er: „Biochemisch betrachtet wirkt Sport durchaus wie ein Medikament. Um genauer zu sein: Er bringt den Körper dazu, eigene (endogene) [Anmerkung der Redakteurin: endogen = im Körperinneren entstehend] Wirkstoffe zu produzieren. Wenn wir Sport treiben, bilden unsere Muskeln sogenannte Zytokine, die als Signale an andere Körperteile dienen und dazu beitragen, unser Immunsystem zu stärken und das Muskel- und Knochenwachstum anzuregen. […] Sport fördert zudem die Blutgefäßversorgung des Gehirns, und er kann zum Erhalt des Hirnvolumens beitragen.“ Wer regelmäßig Sport treibt, unterstützt sein Immunsystem, stärkt seinen gesamten Bewegungsapparat, setzt entzündungshemmende Effekte frei, kann Demenz vorbeugen und verringert das Risiko für Übergewicht, Adipositas und Krebserkrankungen. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse gelten für Frauen und Männer gleichermaßen. Doch es gibt auch Unterschiede. Für alle sportlichen Frauen (und auch die, die es werden möchten) kommt hier eine ganz besonders motivierende Nachricht:
Frauen profitieren gesundheitlich noch mehr von Sport als Männer
Eine Studie mit über 400.000 US-Erwachsenen untersuchte, ob sich die positiven Effekte von Sport auf Mann und Frau auch noch unterschiedlich auswirken. Dazu hatten die Experten erhobene Daten über Häufigkeit, Dauer, Intensität und Art der körperlichen Aktivitäten mit der Gesamtmortalität und der kardiovaskulären Mortalität von 1997 bis 2019 miteinander verglichen. Sie kamen zu folgendem Ergebnis: „Frauen erzielten im Vergleich zu Männern eine stärkere Verringerung des Gesamtmortalitätsrisikos und des kardiovaskulären Mortalitätsrisikos durch eine gleichwertige Dosis an körperlicher Betätigung in der Freizeit.“ Vereinfacht gesagt: Frauen profitieren vom Sport gesundheitlich noch mehr als Männer. Während Männer mit 300 Minuten Sport pro Woche eine maximale gesundheitlich positive Wirkung erzielen, genügen bei Frauen schon 140 Minuten pro Woche. Das sind 2 Stunden und 20 Minuten. Da die Woche 168 Stunden hat, sind diese 2 Stunden und 20 Minuten verschwindend gering.
Besonders durch Krafttraining erzielen Frauen die größten Erfolge
Trainieren Frauen regelmäßig mit Gewichten, ist der gesundheitliche Effekt besonders groß: Sie können dadurch ihr Sterberisiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 30 Prozent senken. Männer bei gleicher Krafttrainingsdosis nur um 11 Prozent. Die Forscher der oben zitierten Studie haben dazu folgende Vermutungen: zu Beginn des Trainings haben Frauen erstmal weniger Kraft als Männer. Sie erzielen dann aber größere relative Kraftsteigerungen. Dieser Effekt ist stärker mit einem längeren Leben verbunden als „nur“ reine Muskelmasse. Hier sind noch weitere Studien notwendig, um die genauen Ursachen herauszufinden.
Sport macht PMS und Wechseljahre erträglicher
Nicht nur Krankheitsrisiken lassen sich durch Sport minimieren, auch gynäkologische Herausforderungen können mit sportlicher Betätigung leichter gemeistert werden. Dr. med. Ursula Manunzio, Ärztin für Sportmedizin, Ernährungsmedizin, Rehabilitation und Prävention rät gesunden Frauen, egal ob bei PMS (prämenstruelles Syndrom) oder in den Wechseljahren, immer Sport in den Alltag zu integrieren. Zum einen hilft das im psychologischen Bereich, „denn regelmäßiges Training, obwohl der Sport akut erstmal auch eine Stresshormonausschüttung bewirkt, reduziert Stress und gleichzeitig steigert es die Ausschüttung der Glückshormone Endorphine und Serotonin und diese gesamte Wirkung hat einen positiven Einfluss“. Das heißt Aufraffen und runter von der Couch. Schon während des Sports und vor allem hinterher fühlt man sich besser. Physiologisch gesehen löst Sport Schmerzen und Krämpfe in der PMS-Phase und reduziert die Häufigkeit und auch die Intensität von Hitzewallungen während der Wechseljahre. Und grundsätzlich beobachtet Ursula Manunzio, „dass eine sporttreibende Frau gar nicht erst so viele Wechseljahrsbeschwerden erfährt“. Das ist die gute Nachricht für alle Sportlerinnen in den Wechseljahren und Grund genug für alle anderen Frauen am besten heute noch mit dem Sport zu beginnen. Denn so investieren wir schon heute in unsere Zukunft und können die gesunde und selbstbestimmet Zeit im Alter verlängern.
Lange und gesund leben
Und das wollen wir doch alle! Diesem Ziel kommen wir mit Sport eindeutig näher: Etwa ab dem 30. Lebensjahr werden unsere Knochen instabiler. Bei Frauen kommt noch erschwerend hinzu, dass der sinkende Östrogenspiegel in der Menopause einen Abbau der Knochen beschleunigt. Damit dieser normale Alterungsprozess nicht in Osteoporose (krankhafter Knochenschwund) ausartet, ist regelmäßiges Training essenziell. Denn gezielte Belastung sorgt dafür, dass beanspruchte Strukturen stärker wieder aufgebaut werden. Das heißt sowohl Knochensubstanz als auch Muskelmasse nehmen zu. Unsere (im besten Fall fitten) Muskeln brauchen wir im Alter dringend, um Stürze und daraus resultierende Folgen wie Knochenbrüche zu vermeiden. Und außerdem wünschen wir uns doch alle im Alter einen selbstbestimmten Alltag zu haben. Wir wollen unsere Einkaufstaschen selbst nach Hause bringen, den Wäschekorb allein zur Waschmaschine tragen und die Enkel auf den Arm nehmen. Welche Art von Sport hilft, dass dieser Traum in Erfüllung geht? Grundsätzlich gilt: Jegliche Art von Bewegung wirkt sich positiv auf unsere Gesundheit aus. Wenn es um anschauliche Tipps geht, sind sich die Experten einig: Es sollte eine Mischung aus Herz-Kreislauf-Training und Krafttraining sein, auch die Flexibilität darf nicht zu kurz kommen. Also ganz konkret: Sportanfängerinnen sollten sich erstmal überlegen, was ihnen Spaß machen könnte. Sobald man etwas gern macht, bleibt man mit größerer Wahrscheinlichkeit dran. Dann verschiedene Sportarten miteinander kombinieren. Ausdauersportarten wie Joggen, Schwimmen, Radfahren, Walken etc. helfen gegen ungewollte Gewichtszunahme. Durch Krafttraining bleiben die Muskeln erhalten. Das machen gerade Frauen noch zu wenig! Dabei muss es nicht gleich das Fitnessstudio mit Geräten und Gewichten sein. Auch Training mit dem eigenen Körpergewicht, wie zum Beispiel Pilates, ist hier sehr sinnvoll. Nach jeder Sporteinheit das Dehnen nicht vergessen. So beugen wir steifen Gelenken vor. Durch eine gewisse Beweglichkeit im Alter können wir dann am Boden sitzend mit unseren Enkeln spielen.
Fazit: Konkrete Forschungsergebnisse wie aus der oben genannten Studie können Frauen helfen und sie motivieren, ihre Gesundheit gezielter zu unterstützen und auch selbst in die Hand zu nehmen. Davon brauchen wir mehr! Denn Frauenkörper sind nicht, wie Jahrzehnte lang angenommen einfach nur die kleineren, leichteren und schwächeren Versionen von männlichen Körpern. Gute medizinische Prävention und Behandlung berücksichtigt auch immer das jeweilige Geschlecht und seine Besonderheiten.
Quellen:
- Dr. Attia, Peter mit Gifford, Bill: „Outlive – wie wir länger und besser leben können, als wir denken“, 3. Auflage 2024, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin, ISBN 978-3-86493-270-0.
- https://www.dosb.de/aktuelles/news/detail/neue-studie-belegt-sport-wirktentzuendungshemmend letzter Aufruf am 23.01.2025
- Demenz vorbeugen: Ursachen & Tipps | BARMER letzter Aufruf am 23.01.2025
- https://www.rki.de/DE/Content/GesundAZ/K/Koerperliche_Aktivitaet_Sport/Koerperlich e_Aktivitaet_Sport_inhalt.html letzter Aufruf am 23.01.2025
- https://www.jacc.org/doi/10.1016/j.jacc.2023.12.019 letzter Aufruf am 23.01.2025
- Dr. med. Ursula Manunzio - Über die Wichtigkeit von Sport in den Wechseljahren
- Me_not_pause letzter Aufruf am 23.01.2025
- https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/frauen-krafttraining-100.html letzter Aufruf am 23.01.2025
- https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/sport-maenner-frauen-studie-100.html letzter Aufruf am 23.01.2025
- https://www.geo.de/wissen/gesundheit/gesundheit--frauen-profitieren-von-sportschneller-als-maenner-34474000.html letzter Aufruf am 23.01.2025
- https://wechselleben.de/gesundheit/sport-in-den-wechseljahren/ letzter Aufruf am 23.01.2025
- https://www.dak.de/dak/gesundheit/koerper-seele/aelter-werden/wechseljahrespecial/abnehmen-in-den-wechseljahren_88322 letzter Aufruf am 23.01.2025
- https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/muskel-skelett-system/osteoporoseursachen-symptome-therapie/ letzter Aufruf am 23.01.2025
- https://www.aok.de/pk/magazin/sport/fitness/osteoporose-uebungen-fuer-zu-hause/ letzter Aufruf am 23.01.2025
- https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/wechseljahre-menopauseknochendichte-osteoporose-hormone-100.html letzter Aufruf am 23.01.2025
Kommentare