Warum Samen in einer gesunden Ernährung nicht fehlen dürfen
- Claudia Kastizen
- 16. Okt.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Okt.

Leinsamen enthalten giftige Blausäure, Hanfsamen THC, Flohsamen sind ein absolutes Superfood und Chiasamen machen schlank. Mit solchen Aussagen wird jeder Konsument konfrontiert, der sich Gedanken um eine gesunde Ernährung macht und Samen integrieren möchte. Was stimmt wirklich und welche Werbeversprechen sind verboten?
Warum Samen in einer gesunden Ernährung nicht fehlen dürfen - Leinsamen
Im Ganzen oder geschrotet? Auch für die kalte Küche oder nur erhitzt? Leinsamen gelten als Superfood. Doch beim Konsum tauchen schnell viele Fragen auf, die verunsichern. Hier gibt’s alle Antworten:
Leinsamen unterstützen die Verdauung, da sie viele wertvolle Ballaststoffe besitzen und im Darm aufquellen. Ihr Fett ist besonders reich an der Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure. Sie hat eine schützende Wirkung vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Außerdem sind Leinsamen vollgepackt mit pflanzlichem Protein. In geschroteter Form sind ihre Inhaltsstoffe für den Körper besser verfügbar als in den ganzen Samen. Sie sind definitiv eine große Bereicherung für die Gesundheit.
Wichtig: Viel dazu trinken! Faustformel: 30 – 40 ml pro kg Körpergewicht pro Tag. Bekommen Leinsamen zu wenig Flüssigkeit, können sie Verstopfung oder im schlimmsten Fall sogar einen Darmverschluss verursachen.
Und jetzt kommt das erste große ABER: Leider enthalten Leinsamen Blausäure und die wird, genau wie die guten Inhaltsstoffe, beim Zerkleinern freigesetzt. Blausäure ist eine akut toxische Substanz, die ab einer gewissen Konzentration zu Vergiftungserscheinungen, Atemnot, Schwindel – im schlimmsten Fall sogar bis zum Tod führen kann. Die gute Nachricht: Erhitzt man (geschrotete) Leinsamen vor dem Verzehr auf mindestens 26 Grad Celsius, verflüchtigt sich die Blausäure. Also Leinsamen am besten in einer Pfanne kurz anrösten, dann ist man auf der sicheren Seite. Geröstet, gebacken oder gekocht sind sie unbedenklich, ebenso wie Leinöl.
Das zweite ABER: Leinsamen, wie auch andere Ölsaaten, können Cadmium, ein giftiges Schwermetall enthalten. Deshalb rät das Bundesinstitut für Risikobewertung nicht mehr als 20 g am Tag zu essen und maximal 15 g (etwa 1 EL) zu einer Mahlzeit. Für Kinder unter vier Jahren sind Leinsamen nicht geeignet.
Mein Tipps: Ich persönlich lasse ein paar erhitze und geschrotete Leinsamen morgens über mein Müsli rieseln. Dabei komme ich maximal auf die Menge eines Teelöffels. Außerdem esse ich Leinsamen auch nicht täglich, sondern wechsle mit anderen Samen und verschiedenen Nüssen ab. So erreiche ich die maximal empfohlene Tagesmenge gar nicht. Auch super: Leinsamen in den Pfannkuchenteig einarbeiten, beim Backen macht man der Blausäure dann den Garaus.
Warum Samen in einer gesunden Ernährung nicht fehlen dürfen - Flohsamen
85 % der gesamten Flohsamenernte stammen aus Indien, aus der Pflanze Plantago ovata. Sie sind die Samen von Wegerichgewächsen. Bei uns sind sie entweder als komplette Samen oder als fein gemahlene Samenschalen erhältlich. In den Samen finden sich wertvolle Öle, in den Schalen Schleimstoffe, die zu den löslichen Ballaststoffen zählen. Sie werden nicht vom Körper aufgenommen, sondern über den Darm ausgeschieden.
Und das kann bei Verstopfung von Vorteil sein: Im Darm binden die Schleimstoffe Wasser und quellen auf. Dadurch vergrößert sich der Stuhl. Das wirkt verdauungsanregend und abführend. Zusätzlich erleichtert es die Darmentleerung, weil der Darminhalt weicher wird. Die Schleimstoffe haben auch einen Schmiereffekt, so dass die Darmpassage verbessert wird.
In diesem Fall ist es besser, Flohsamenschalen und nicht die ganzen Samen zu verwenden, denn diese verlassen den Magen-Darm-Trakt oft in unveränderter Form. Hat man die ganzen Samen schon zu Hause, kann man sie auch schroten.
Und so geht’s: Zu ein bis zwei Teelöffel Flohsamenschalen sollte man 200 bis 400 ml Wasser trinken. Man kann die Flohsamenschalen auch direkt ins Wasser geben, umrühren und trinken. Nicht mehr als 1-2 TL pro Tag nehmen. Unbedingt weiterhin viel dazu trinken (s. Faustformel im Abschnitt „Leinsamen“).
Ich persönlich streue etwa ½ TL morgens in mein Müsli.
Bei folgenden Erkrankungen sind sie nicht empfohlen:
- Darmverschluss
- Verengung der Speiseröhre, des Magens oder des Darms
- Akute Entzündung im Magen-Darm-Bereich
- Schluckbeschwerden
- Herz- oder Nierenkrankheiten, bei denen nicht übermäßig viel getrunken werden darf
- Allergie auf Flohsamenschalen
Vorsicht:
- Nicht im Liegen oder vor dem Schlafengehen einnehmen! Es kann sonst zu Verklumpungen in Speiseröhre oder Darm kommen
- Bei der Einnahme von Medikamenten: Mindestens eine Stunde Abstand halten
Warum Samen in einer gesunden Ernährung nicht fehlen dürfen - Chiasamen
Das Wichtigste gleich vorneweg: Unbedingt Chiasamen in Bio-Qualität kaufen! Sie werden in Mexiko und vielen Ländern Lateinamerikas angepflanzt und zu uns importiert. Beim konventionellen Anbau kann das Saatgut mit Pflanzenhormonen behandelt sein und der Boden vor der Aussaat mit einem in Europa seit 2007 verbotenen Herbizid von Unkraut befreit worden sein. Bei Chiasamen aus ökologischem Anbau ist das verboten.
Seit vier Jahren sind auch bei uns in Deutschland einige Chiasorten zum Anbau zugelassen. Doch es wird noch dauern, bis daraus große Mengen entstehen.
Jetzt die gesundheitlichen Vorteile der kleinen schwarzen Samen: Sie bestehen zu ca. 20 % aus Proteinen, zu 30 % aus Fett und bis zu 40 % aus Kohlenhydraten. Der hohe Anteil an lebensnotwendigen Omega-3 Fettsäuren steht dem Körper nur zur Verfügung, wenn der Samen geschrotet wurde oder sehr gut gekaut wird. Sonst werden diese Fettsäuren nicht freigesetzt.
Oft liest man, dass sie die Verdauung fördern, den Blutzucker regulieren, Bluthochdruck senken, Gelenkschmerzen und Sodbrennen lindern oder gesunde Haut und eine schlanke Figur machen. Doch diese Health Claims, also Werbeaussagen, die Linderung bestimmter Beschwerden versprechen, sind für Chiaprodukte nicht zugelassen. Einzig für den hohen Ballaststoffgehalt (34 g Ballaststoffe pro 100 g Samen) darf man werben.
Konkret heißt das: Chiasamen sind definitiv eine gute Quelle für gesunde Omega-3 Fettsäuren und Ballaststoffe. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt pro Tag 30 g Ballaststoffe zu essen. Durchschnittlich kommen die Menschen in Deutschland auf nicht mal 20 g / Tag. Mit einer üblichen Tagesmenge von 15 g Chiasamen nimmt man schon ein Sechstel der empfohlenen Ballaststoffmenge zu sich. Diese 15 g sollten nicht auf einmal eingenommen werden, sondern über den Tag verteilt.
Dafür entweder die Chiasamen in Flüssigkeit vorquellen lassen oder viel dazu trinken. Sonst kann es zu (im schlimmsten Fall gefährlicher) Verstopfung kommen.
Wer sollte, ohne vorherige Rücksprache mit dem Arzt, keine Chiasamen essen:
- Menschen, die blutverdünnende Medikamente einnehmen.
- Bei Allergien auf Chiasamen. Sie gehören zu den Lippenblütlerpflanzen, ebenso wie Minze, Thymian, Rosmarin oder Salbei. Wer darauf oder auch auf Senf allergisch reagiert, sollte sehr vorsichtig sein.
Warum Samen in einer gesunden Ernährung nicht fehlen dürfen - Hanfsamen
Die kleinen Samen der Hanfpflanze enthalten, ähnlich wie Nüsse oder Leinsamen hochwertige Fette, Proteine, Vitamine sowie Ballast- und Mineralstoffe. Ihr Proteinanteil liegt je nach Produkt zwischen 20 und 35 Prozent, so dass sie als wertvoller pflanzlicher Eiweißlieferant gelten. In ihnen steckt die Gamma-Linolensäure, eine mehrfach ungesättigte Fettsäure. Sie kann entzündliche Vorgänge positiv beeinflussen.
Aufgrund dieser vielen gesunden Inhaltsstoffe werden Hanfsamen oft als „Superfood“ bezeichnet und mit folgenden Werbeaussagen vermarktet: Durch den Verzehr sollen sich die Muskeln nach einer Belastung besser erholen, das Abnehmen fällt mit Hanfsamen leichter oder auch Werte von Blutdruck, Cholesterinspiegel oder Blutzucker würden sich senken. Da es für diese Versprechen keine wissenschaftlichen Beweise gibt, hat die EU Aussagen zu einer möglichen Gesundheitswirkung von Hanfsamen (und auch Hanföl) nicht zugelassen.
Was erlaubt ist: Das Hervorheben einzelner Nährwerteigenschaften wie „hoher Ballaststoffgehalt“ oder „natürliche Proteinquelle“.
Doch wie sieht es mit sogenannten Cannabinoiden, zum Beispiel THC aus? Sie beeinflussen die Psyche. Hanfsamen enthalten natürlicherweise kein THC, anders als die Blätter und Blüten der Hanfpflanze. Bei der Ernte und auch bei der Produktion kann es aber passieren, dass die Samen mit den cannabinoidhaltigen Pflanzenteilen in Berührung kommen und so verunreinigt werden. Deshalb gibt es wegen eines zu hohen THC-Gehalts immer wieder Produktrückrufe.
Im Oktober 2022 hat Ökotest verschiedene Hanflebensmittel untersucht. In einigen Hanfölen war der THC-Gehalt tatsächlich zu hoch.
Die Verbraucherzentrale rät deshalb Schwangeren und Kindern vom Verzehr von Hanflebensmitteln ab. Wem das Risiko bzgl. THC-Gehalt zu hoch ist, der kann Hanfsamen mit Nüssen, Lein- oder Sesamsamen ersetzen. Leckere Alternativen zu Hanföl sind Walnuss- oder Leinöl.
Fazit: Samen liefern viele Ballaststoffe, wertvolle Fette, hochwertiges pflanzliches Protein, Vitamine und Mineralien. Viele gute Gründe, warum Samen in einer gesunden Ernährung nicht fehlen dürfen. Auch wenn jeder kleine Samen seine eigenen Besonderheiten und teilweise auch Nachteile hat, profitiert der Körper von vielen positiven Effekten.
Quellen:
- Chia-Samen – wie gesund ist das angebliche Superfood wirklich? | Verbraucherzentrale.de letzter Aufruf am 16.10.2025
- Chiasamen - Wie gesund sind sie? | ndr.de letzter Aufruf am 16.10.2025
- https://www.br.de/radio/bayern1/chiasamen-gesund-100.html letzter Aufruf am 16.10.2025
- Heimisches Superfood? So gesund sind Leinsamen | Apotheken Umschau letzter Aufruf am 16.10.2025
- Leinsamen | Apotheken Umschau letzter Aufruf am 16.10.2025
- Indischer Flohsamen: Pflanzliches Mittel gegen Verstopfung | Apotheken Umschau letzter Aufruf am 16.10.2025
- Flohsamenschalen: Ballaststoffpakete mit erstaunlicher Wirkung letzter Aufruf am 16.10.2025
- Flohsamenschalen: Einnahme und Wirkung | ndr.de letzter Aufruf am 16.10.2025
- Hanfsamen, Hanföl, Hanf-Tee – wie steht es mit der Sicherheit? | Verbraucherzentrale.de letzter Aufruf am 16.10.2025
- Hanfsamen - Deutsche Apotheker Zeitung letzter Aufruf am 16.10.2025
- Hanfsamen, Hanföl & Tee: Viele Hanfprodukte im Test rauschen durch - ÖKO-TEST letzter Aufruf am 16.10.2025
- Hanfsamen und Hanföl: Gesund, aber teilweise belastet | ndr.de letzter Aufruf am 16.10.2025








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